
Einleitend werden der Blutkreislauf und die Funktion des Herzens beim Menschen sowie das Phänomen des Herzkammerflimmerns allgemein verständlich erklärt. Es ist auch möglich, durch genaue Messungen der Flimmerschwellen bei Ganztierversuchen mit Hunden und am exponierten Hundeherzen den grundsätzlichen Verlauf der Flimmerschwelle mit der Auslösung von Extrasystolen während einer elektrischen Durchströmung des Herzens zu begründen.
Zur Abschätzung der Flimmerschwellen beim Menschen werden die Ergebnisse von Tierversuchen mit Schweinen, Hunden und Schafen benützt, die alle den Z-förmigen Verlauf der Flimmerschwelle mit einem unteren und oberen Flimmerniveau bestätigen. Ebenfalls aufgrund von Messungen im Herzen von Tieren und menschlichen Leichen ist es möglich, Angaben über die Übertragbarkeit der bei Tieren gemessenen Flimmerschwellen auf den lebenden Menschen zu machen, die für die Tierart Hund bzw. Schwein zu den Vergleichsfaktoren 2 bzw. 1,5 führen.
Von besonderem Interesse ist es, daß die Statistik von Elektrounfällen bei Querdurchströmungen (Hand-Hand) mit Berührungsspannungen von 220 V bzw. 380 V mit tödlichem und nicht tödlichem Ausgang die Ergebnisse der Tierversuche und die daraus mit den Vergleichsfaktoren berechneten Flimmerschwellen für den Menschen zu bestätigen scheint.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen kann ein neuer Vorschlag für eine Strom/Zeitbereichsgrenze mit vertretbarem Risiko für das Auftreten von Herzkammerflimmern bei sinusförmigen Wechselströmen im Frequenzbereich von 20 bis 60 Hz ausgearbeitet werden. Es wird ein unteres Flimmerniveau von 0,1 A für Durchströmungsdauern länger als 0,5 s und ein oberes Flimmerniveau von 1 A für Durchströmungsdauern unter 0,2 s vorgeschlagen, wobei im oberen Flimmerbereich Herzkammerflimmern nur auftritt, wenn die Elektrisierung in die vulnerable Herzperiode fällt.
Nach einer historischen Betrachtung zu den Wirkungsbereichen für Wechselstrom, wie sie in den aufeinanderfolgenden Ausgaben von IEC-Report 60479 enthalten waren, wird die neue Strom/Zeitbereichsgrenze für Herzkammerflimmern in die Gesamtdarstellung der Wirkungsbereiche des IEC-Reports 60479 eingeführt. Man kann auch für Gleichstrom ähnliche Überlegungen anstellen und dies führt ebenfalls zu einer Verbesserung in der Darstellung der Wirkungs-bereiche für Gleichstrom, die derzeit im IEC-Report 60479 enthalten sind.
Die neuen Erkenntnisse führen damit zu Vorschlägen für eine Revision der dritten Auflage des IEC-Reports 60479-1 (1994). Bei dieser Revision sollten auch die Werte für die Körperimpedanzen von Menschen für große, mittlere und kleine Berührungsflächen im trockenen, wassernassen und salznassen Zustand, deren Messung und Ableitung in ESF-Bericht Nr. 2 enthalten sind, in den IEC-Report 60479-1 aufgenommen werden.